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Einmal Brandenburger zum Mitnehmen?

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Einmal Brandenburger zum Mitnehmen?

Ich bin weder parteilos noch unparteiisch, und womöglich sehe ich viele Dinge durch die SPD-Brille. Aber ist schon mal jemandem aufgefallen, wie inkonsequent die öffentliche Meinung sein kann? In Brandenburg hat sich die SPD als stärkste Kraft behauptet – und sofort sind sich alle einig, dass das ein rein landespolitisches Phänomen ist, das hängt an Dietmar Woidke, an Wechselwählern, wie es sie so nur in Brandenburg gibt. Mit dem Bund hat das wenig bis gar nichts zu tun, heißt es.

Wisst Ihr was? Das stimmt auch. Eine Landtagswahl ist eine Landtagswahl und eine Bundestagswahl eine Bundestagswahl. Aber noch in der vergangenen Woche las ich Schlagzeilen konservativerer Zeitungen, in denen gefragt wurde, ob der Bundeskanzler „die Brandenburg-Wahl überlebt“. Und ganz sicher: Hätte die SPD dort ein ähnliches Debakel erlebt wie in Thüringen oder Sachsen, hätten jetzt alle darüber geredet, welche Auswirkungen das in Berlin haben muss. Weiterlesen

Schneller, schärfer, schlechter

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Schneller, schärfer, schlechter

Um uns von Entsetzen und Grauen nicht völlig lähmen zu lassen, retten wir Menschen uns in Rituale. Das ist auch nach der furchtbaren Bluttat von Solingen wieder so. Die Leute kommen zum Tatort und legen Blumen ab und Briefe, sie treffen sich zu Schweigeminuten, zu Trauermärschen. Man will spüren, dass man wenigstens nicht allein dasteht mit der Trauer, der Fassungslosigkeit, auch dem Zorn über so viel sinnlosen Tod.

Diese Rituale helfen, sie sind wichtig, und es ist schlimm genug, dass sie einem schon wie Routinen vorkommen. Umso mehr könnte ich auf einige politische Routinen verzichten, die leider gar nichts helfen. Weiterlesen

Mindestens gut

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Mindestens gut

Als es das Internet noch nicht gab, erkannten wir das Sommerloch an merkwürdigen Nachrichten: Krokodile in Baggerseen, Poltergeister in Zahnarztpraxen. Unfug.

Für das Sommerloch gab und gibt es auch politische Spezialitäten. Sommertouren, Sommerinterviews – das machen alle, ich auch. Aber es gibt auch regelrechte Sommerlochparteien, die in den Ferienwochen sozusagen ihre Krokodile im Baggersee schwimmen lassen. In Baden-Württemberg ist hier vor allem die FDP dabei: Keine Woche ohne krasse Forderungen und laute Ansagen. Weg mit Wölfen und Wärmepumpen, Klimaklebern und Bürgergeld… das reicht selten für eine ernsthafte Forderung, aber immer für eine kleine Schlagzeile. Und falls ich jetzt etwas säuerlich klinge, ist es, weil die Strategie der FDP wirkt. Nur nicht für die FDP, sondern gegen das Vertrauen in Politik allgemein. Wer Demokratie als Zirkus verunglimpfen will, findet hier seine Bestätigung. Muss das sein?

Ich will das Sommerloch heute auch nutzen. Aber eben nicht mit möglichst krassen Forderungen, sondern mit dem runden Geburtstag einer politischen Leistung. Also nicht fordern, sondern liefern, nicht wollen, sondern können, nicht Worte, sondern Taten. SPD, eben.

Vor ziemlich genau zehn Jahren wurde in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn eingeführt, für den die SPD zäh und geduldig gegen massivste Widerstände gekämpft hatte. Zehn Jahre Mindestlohn, das ist noch gar nicht so lange und doch scheint es wie eine Ewigkeit: Noch bis 2014 haben viele Leute in unserem Land für fünf Euro in der Stunde gearbeitet. Menschen, die selbst nach einem Zehnstundentag mit nur 50 Euro nachhause kamen! Wie gesagt: Schon zehn Jahre her, aber auch erst zehn Jahre. Und heute zum Glück bereits unvorstellbar.

Der Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro brachte eine bedeutende Lohnerhöhung für über vier Millionen Menschen in Deutschland. Als der Mindestlohn dann vor zwei Jahren (und nach deutlicher Inflation) auf zwölf Euro angehoben wurde, profitierten davon fast sechs Millionen Menschen davon. Besonders viele in den Bundesländern im Osten, übrigens. Der Mindestlohn schaffte und schafft auch hier deutlich mehr Gerechtigkeit. Er verhindert, dass Menschen trotz Arbeit in Armut geraten. Er macht Schluss mit Ausbeutung und Niedrigstlöhnen, die nichts anderes sind als krasse Respektlosigkeit für Menschen und ihre Arbeit.

Und der Mindestlohn ist keine Wohlfahrt, er rechnet sich viel mehr, als es marktliberale Dickschädel einsehen wollen. Der Mindestlohn stärkt die Einnahmen der Rentenversicherung. Er entlastet die Staatskasse, weil wir seltener Niedrigstlöhne aufstocken müssen. Ganz nebenbei bremste der Mindestlohn die Abwanderung von Arbeitskräften und fördert die Entwicklung produktiverer, besserer Arbeitsplätze. Der Mindestlohn nützt uns allen. Auch denen, die viel mehr verdienen. Man braucht kein Diplom in Volkswirtschaft, um das zu verstehen.

DAS ist Politik der SPD, das hilft uns allen, seit zehn Jahren. Das ist mindestens gut. Und das wollte ich mal eben erwähnt haben. Jetzt zurück zu den Krokodilen im Baggersee und den Sommerlochparteien. Erholt Euch gut und bis bald!

 

Kultische Handlungen

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Kultische Handlungen

Es war nur geflüstert, aber diese Woche war mal wieder das Wort „Tempolimit“ zu hören im Land. In Stuttgart stellte die Regierung vor, wie der Verkehrslärm begrenzt werden soll. Und ja, manchmal sei es auch sinnvoll, dafür innerorts mit Tempo 30 zu arbeiten.

Der FDP war auch das Geflüster schon zu viel, sofort wurde gegen Tempolimits „mit der Brechstange“ gewettert. Um was es ging? Dass Kommunen solche Limits schon lange einführen? Nicht so wichtig. Es ging ja weniger um Verkehrslärm als um Ideologie.

Ideologie ist das, was Konservative üblicherweise anderen vorwerfen. Dann gibt es die „Grüne Ideologie“ oder die „Ideologien der Sozialdemokratie“. Dem würde ich bei der SPD nicht einmal widersprechen wollen, zumindest Ideale haben wir, und da bin ich auch stolz drauf.

Spannend ist aber, dass die Konservativen (und Liberalkonservativen) selbst äußerst verbissene Ideologien verfolgen. Ich sage noch mehr, immer wieder kippen bestimmte Themen ins Kultische. Dazu gehört das Tempolimit. Das sorgt für weniger Lärm, Spritverbrauch und Abgase, für flüssigeren Verkehr, weniger Stau und vor allem weniger Stress und Autobahn-Aggro… alles bewiesen. Aber CDU und FDP begegnen dem Thema mit kultischer Verehrung statt mit Vernunft: Freie Fahrt, freie Bürger, da werden nur noch Bekenntnisse heruntergebetet und Argumente müssen leider draußen bleiben.

Atomkraft? Riskant, nicht ausgereift (Atommüll?), unterm Strich viel zu teuer und vor allem im modernen Energiemix unseres Landes vollkommen unsinnig. Alles bewiesen, und die Konzerne, die die Reaktoren früher betrieben, haben das Thema längst abgehakt. Nicht aber die Konservativen und Liberalen. Auch die Atomkraft erfährt hier kultische Verehrung, und immer wieder kommen sie mit ihren Reaktoren um die Ecke. Auch hier geht es nicht um Energiewirtschaft, sondern um Ideologie.

Ich könnte jetzt auch noch über Bildung reden, über den konservativen Kult des Kindersortierens (Dreigliedriges Schulsystem! Sitzenbleiben!) trotz aller Beweise, dass es moderne und bessere Schulsysteme gibt. Ich muss aber noch schnell auf den Bundeshaushalt zu sprechen kommen. Auch hier ist die Lage eigentlich unbestritten: Wir haben gewaltige Krisen, gewaltige Herausforderungen, einen gewaltigen Investitionsstau. Jetzt in unser Land zu investieren ist zwingend, wenn wir das Ruder erfolgreich herumreißen wollen. Das sagen auch fast alle Volkswirtschaftler, das fordert inzwischen auch die Industrie – aber die Hohepriester der schwarzen Null radikalisieren sich dadurch nur noch mehr, und sie lassen sich auch von Ökonomen nichts vorrechnen. Glaubensbekenntnisse vertragen keine Argumente. Sie vertragen auch keine Mathematik.

Kultische Handlungen als politische Basis verträgt wiederum unser Land nicht. Das muss sich schnell ändern. Ganz schnell bitte – in diesem Fall auch gerne ohne Tempolimit.