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Neues Geld und alte Märchen

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Neues Geld und alte Märchen

Neues Geld und alte Märchen

Seit Jahren erzähle ich davon, wie sehr es mich ärgert, wenn man in Berlin, Frankfurt oder München über die „schwäbische Hausfrau“ erzählt, die angeblich nie mehr ausgibt, als sie gerade im Geldbeutel hat. Was für ein Schmarrn! Wenn es einer schwäbischen Hausfrau in die Stube regnen würde, würde sie das Dach sanieren – und dafür eben auch einen Kredit aufnehmen. Alles andere wäre nicht sparsam, sondern schwachsinnig. Und schwäbische Hausfrauen sind clever. Ich wurde selbst von einer großgezogen.

Noch dümmer werden diese Märchen, wenn es um Investitionen geht. Jeder Unternehmer weiß, dass man hier nicht Geld aus dem Fenster wirft, sondern es anlegt. Geld aufnehmen für eine neue Fabrikhalle mit neuen Maschinen? Natürlich, denn dann macht die Firma ja auch mehr Umsatz und mehr Gewinn!

Ich schreibe das, weil in diesen Tagen das größte Investitionspaket auf den Weg gebracht werden soll, das die Bundesrepublik je gesehen hat. Und manchen Leuten fallen auch hier wieder nur die ganz alten Märchen ein.

„Wer soll das bezahlen?“ Ich frage einfach mal andersrum: Wer soll es bezahlen, wenn wir jetzt nichts unternehmen? Jeder sieht, wo in Deutschland Brücken bröseln, wo Infrastruktur fehlt vom schnellen Internet über die Stromtrassen bis zum Wasserstoff. Wir sehen, wo es uns beim Erreichen der Klimaziele fehlt, wo Milliarden für eine ordentliche Eisenbahn fehlen. Wir sehen, wie dringend wir Wohnungen bauen müssen… Und auch einen Diktator wie den russischen Präsidenten schrecken wir nicht mit einer schwarzen Null ab.

Noch mehr olle Märchen: Von „Klientelpolitik“ lese ich und von „Wahlgeschenken“. Was sollen die Phrasen? Es bringt doch nicht nur SPD-Wählerinnen was, wenn eine Brücke nicht einstürzt. Und bitte nicht vom „Koalitionskitt“ faseln. Endlich, endlich Geld in die Hand zu nehmen, um dieses Land zu reparieren, wieder gut aufzustellen, es sicher und zukunftssicher zu machen – das ist kein Kitt und keine Deko – das ist die Substanz der ganzen Sache. Das ist, was Deutschland jetzt endlich braucht.

Und wer rechnen kann, muss es nicht lange tun, um eines zu begreifen: Ja, Einsparen ist schön und gut und toll, aber die Summen, die wir jetzt brauchen, könnten wir in 50 Jahren nicht zusammensparen. Das Dach ist undicht, die Bude brennt, und wir müssen JETZT handeln. Und apropos Sparen: Sparen kann man sich auch die altklugen Kommentare, man müsse halt besser priorisieren. Soll also lieber die Brücke einstürzen oder lieber der Strom ausgehen? Machen wir lieber die Schule zu oder das Krankenhaus? Sparen wir lieber am Klimaschutz oder an den Kitas oder an der Polizei? Nur ganz kurz nachdenken hilft.

Hilfreich ist es auch, sich zu erinnern: Deutschland hat keinerlei Schuldenproblem, fast alle anderen europäischen Länder haben viel mehr Kredite aufgenommen und versinken in keinem Höllenschlund. Was Deutschland hat, ist ein Investitionsstau – und mit das mieseste Wirtschaftswachstum weit und breit. Allein das kostet Hunderte Milliarden. Jedes Jahr.

Und Investitionen sind eben KEIN rausgeworfenes Geld. Nicht einmal bei dem, was man „klassische SPD-Politik“ nennt. In der Corona-Pandemie hat Arbeitsminister Hubertus Heil so viele Milliarden für das Kurzarbeitergeld locker gemacht, für die Sicherung hunderttausender Arbeitsplätze. Und wie groß war das Geschrei aus den Reihen des Schwarznull-Kults! Nur: Deutschland kam wirtschaftlich viel, viel besser aus der Pandemie als die meisten anderen Länder der EU, und das Geld hatten wir über die höheren Steuereinnahmen schnell wieder drin. Schon vergessen?

Wir haben eine Weltlage wie seit Menschendenken nicht, Probleme und Herausforderungen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Das fordert uns, das zwingt uns zum Handeln, und wir werden das nicht nur mit Geld alleine bewältigen. Aber wir werden es eben auch nicht ohne Geld bewältigen. Ohne viel Geld, sehr viel sogar.

Wir können, wir müssen reden über dieses neue Geld. Aber bitte nicht mehr über die alten Märchen.

 

Wir sind uns doch einig, oder?

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Wir sind uns doch einig, oder?

Wir haben gerade keine Zeit für das übliche Getue. Damit meine ich nicht nur die Parteien, sondern auch alle Schlaumeier in allen Medien, von der Zeitung bis Telegram.

Die gigantischen Aufgaben, vor denen wir stehen, können wir nicht aus der Wechselgeldkasse zahlen. Jetzt zu investieren ist nötig und kostet viel, viel Geld. Aber jetzt nicht zu investieren, kostet uns eine gute Zukunft.

Das hat nun auch die Union begriffen, und ja, vor der Wahl haben die ganz andere Dinge von sich gegeben. Aber wenn sie jetzt einsehen, was die SPD seit Jahren fordert, dann ist das vielleicht spät, aber eben nicht falsch! Und deswegen sind auch all diese neunmalklugen „Im Wahlkampf habt Ihr noch“-Kommentare so falsch wie noch nie. Ja, wir konnten uns eine Zusammenarbeit mit Friedrich Merz nicht so gut vorstellen. Aber jetzt stimmt der Mann Krediten zu und einem gigantischen Investitionspaket. Er redet nicht mehr über geschlossene Grenzen und nicht mehr über deutsche Alleingänge in der Sicherheitspolitik. Sollen wir stur bleiben, wenn er es nicht mehr ist? Weiterlesen

Krisen*modus?

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Krisen*modus?

Natürlich gibt es auch Anlass zur Selbstkritik, ich habe erst vor ein paar Tagen öffentlich angemerkt, unser Bundeskanzler dürfe sich ruhig öfter mal ins Herz schauen lassen, klarer begründen und erläutern, was warum und nach welcher Abwägung zu der Politik führt, die wir vertreten. Und ich meine auch, dass man Gesetze auch in einer Dreierkoalition so ausreichend vorbesprechen und abklären kann, dass es nicht zweimal im Jahr einen Aufschrei quer durchs Land gibt – und dann eine Bundesregierung, die ihre Vorhaben wieder zurücknimmt. Muss alles nicht sein.

Aber ich muss mich auch fragen, wie kurz ein kollektives Kurzzeitgedächtnis noch werden kann. Die Landwirte sind sauer, aber selbst die sauersten Landwirte geben zu, dass die aktuellen, teils ungeschickten Kürzungen nur der letzte Tropfen waren, der ein ganzes Fass zum Überlaufen bringt. Da ist Zorn auf Jahrzehnte Agrarpolitik. Und über Jahrzehnte wurde diese Agrarpolitik von der Union gemacht. Stört aber niemand, die CDU springt mühelos auf jeden Protestzug auf, wettert laut mit und hofft, dass man die Ampel auch per Traktor beseitigen kann. Gegen die Privilegien bei der Kfz-Steuer hat die CDU sich selbst ausgesprochen, zwei Tage später klagte sie die Regierung dafür an. Ist das Kurzzeitgedächtnis so kurz geworden?

Spannend auch, wie so viele Leute den „Krisenmodus“ definieren. Alle Klagen ständig über die Krisen und befürchten noch viel schlimmere Krisen, aber wenn eine Krise dann unangenehme Auswirkungen hat, fällt man in einen Beschwerdetaumel, als habe die Regierung nicht auf eine Krise reagiert, sondern aus schierer Bosheit das Volk gegängelt.

„Krisenmodus“ war ja mal Wort des Jahres. Die spannende Frage ist, ob es nicht nur ein Schlagwort bleibt. Ob wir alle wirklich begreifen, dass wir enorme Herausforderungen zu meistern haben. „Krisenmodus“ heißt nicht, dass man sich ins Kleinklein der Nullerjahre kuscheln kann. Es heißt auch, dass es jetzt Wichtigeres gibt als die schwarze Null der Schwarzen. Von der Krise redet auch die Union immer. Ich habe nur nicht den Eindruck, dass die sich nur Minuten später noch daran erinnern kann. Kurzzeitgedächtnis.

In Baden-Württemberg fehlt eine ganze Großstadt an Sozialwohnungen. Es fehlen so viele Kita-Plätze, dass Menschen nicht zum Arbeiten in dieses Land ziehen wollen. Es fällt mehr Unterricht aus denn je und immer mehr Schülerinnen und Schüler verlassen die Grundschule ohne ausreichende Kenntnisse. Die katastrophale Bilanz beim Ausbau der Windkraft hat sich im Vorjahr verbessert, von neun (9) auf fünfzehn (15) Anlagen. Grün-Schwarz wollte mal 1000 Anlagen bauen, dann nur noch 100, nun sagt der Ministerpräsident, auch das werde schwer.

Grüne und CDU sind derweil im Krisenmodus. Sie streiten sich also über die depperte Idee eines Verbots der „Gendersprache“ in Behörden. Gibt es nichts Wichtigeres zu tun, als über Gendersternchen zu streiten, die ehrlich gesagt noch nie ein Problem waren? Doch, aber das haben sie schon wieder vergessen. Kurzzeitgedächtnis.

Das Maß ist voll

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Das Maß ist voll

Auf dem Parteitag der Landes-SPD in Heilbronn habe ich das auch schon gesagt, aber für alle, die weder dort waren noch den Parteitag im Netz verfolgten, sage ich das gerne noch einmal: Die von Olaf Scholz angeführte Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat in der ersten Hälfte dieser Legislatur eine Menge gute Arbeit geleistet. Das kann man messen, das kann man nachweisen. Und wer sich nicht völlig in die Tasche lügt, muss zugeben: Im Jahr 2022 lag die Nation über Monate in heller Panik über einen eiskalten und finsteren Winter ohne russisches Gas. Keine der vielen, vielen Horrorvisionen wurde wahr, die Bundesregierung hat das verhindert. Mit einem Kraftakt. Mit Mut. Und mit Erfolg.

Aber wer sich nicht völlig in die Tasche lügt, sieht auch: All diese immer ordentliche, oft gute und hier und da auch sehr gute Arbeit fällt nicht besonders auf. Das Bild, dass die Ampel in der Öffentlichkeit bietet, ist ein Bild fortwährenden Knatschs und ständigen Unfriedens, besonders unter den beiden kleineren Partnern. Und es ist ein schlechtes Bild. Weiterlesen

Lange Leitung…

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Lange Leitung…

Als ich noch in die Schule ging, waren die Witze auch nicht besser als heute. Ein alter Spruch von Leuten, die einen um Zigaretten anschnorren wollten, ging so: „Sag mal, hast Du mir eine Kippe? Meine Schachtel ist noch im Automaten…“ Hö hö.

Wie komme ich drauf? Der schwache Witz vom Schnorrer, der die unbezahlte Schachtel im Automat mal eben zu seiner erklärt, wird sich dieser Tage in der Halbzeitbilanz der grün-schwarzen Landesregierung wiederfinden. Weiterlesen