Autoindustrie

Hört auf mit hilflos!

Stochblog

Hört auf mit hilflos!

Es gehört zurzeit zu unserer Medienfolklore, sich jeden Tag über das absurde Theater zu empören, das US-Präsident Donald Trump mit seinem Gefolge aufführt. Ich schreibe da auch gar nicht so gerne drüber, denn dem aktuell mächtigsten Egomanen der Welt geht es genau darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erhalten. Das gelingt ihm auch wirklich gut.

Tatsächlich muss es uns interessieren, wenn der US-Präsident Strafzölle auf importierte Autos diktiert – und nirgendwo trifft uns so etwas mehr als hier in Baden-Württemberg. Unser Land hängt extrem an den Autobranche und unsere Autobranche hängt extrem am Export.

Sorge über einen Handelskrieg mit den USA ist berechtigt. Panik ist es nicht. Traditionell vermischen wir gerne Erdkunde mit Weltwirtschaft, halten also Russland für eine Weltmacht, weil das Land so groß ist. Dass Russland ungefähr das Bruttosozialprodukt von Spanien hat, wird gerne übersehen. Die USA sind nicht nur auf dem Globus eine gewaltig große Nation, dazu eine militärische Supermacht und auch wirtschaftlich die Nummer 1 auf dem Planeten. Aber in Europa leben deutlich mehr Menschen, als Markt sind wir mindestens genauso bedeutsam wie die Vereinigten Staaten. Und manche vermeintliche Schwäche Europas ist in Wahrheit eine Stärke: Ja, es dauert manchmal länger in der EU als in Nationalstaaten, aber die europäischen Lösungen sind im Interessensausgleich entstanden, und genau deswegen setzt die EU Standards, die gerade bei Produkten nicht selten auf der ganzen Welt übernommen werden.

Gegenüber Donald Trumps Handelskriegen ist die EU alles andere als hilflos. Ja, die meisten US-Automobile will in Europa sowieso niemand haben. Selbst die Teslas werden momentan Ladenhüter. Aber die EU könnte mit Hürden für die digitalen Tech-Giganten aus den USA antworten. Oder eine Plattform wie „X“ einfach mal sperren, bis der Konzern europäische Vorgaben erfüllt. Europa hat Stärken und kann sie zeigen – wenn ein Gegenüber leider nur Stärke versteht.

Nein, Sorgen mache ich mir nicht um den Welthandel und nicht auf lange Sicht. Sorgen mache ich mir um unsere Automobilwirtschaft in Baden-Württemberg, und Sorgen machen ich mir um die unmittelbare Zukunft. Denn Strafzölle in den USA sind ja nur ein weiterer Tiefschlag. Der Markt in China ist zusammengeklappt, dortige Hersteller werden massiv vom Staat protegiert. Generationenlanger Vorsprung bei den Verbrennungsmotoren ist plötzlich nichts mehr wert, neue Hersteller schießen wie Pilze aus dem Boden, die ganze Branche ächzt unter der gewaltigen Umstellung. In der unmittelbaren Zukunft geht es darum, wer die Kurve kriegt und wer nicht, es geht um Zigtausende von Arbeitsplätzen, Milliarden an Steuereinnahmen, um das wirtschaftliche Rückgrat Baden-Württembergs. Und die aktuelle Regierung dieses Landes? Sie schaut einfach zu.

Schon vor Jahren haben wir als SPD eine aktivere Rolle des Staates in diesem Umbruch gefordert, bei dem für unser Land so viel auf dem Spiel steht. Schon im vergangenen Jahr haben wir die Idee einer Transformationsmilliarde vorgestellt. Immer wieder haben wir vorgeschlagen, wie ein Land seiner wichtigsten Branche unter die Arme greifen könnte, um den Platz an der Weltspitze und unseren Wohlstand zu sichern. Nichts hat die Regierung aus Grünen und CDU angenommen, keine einzige Idee aufgegriffen. Andere Bundesländer legen sich ins Zeug für ihre Wirtschaft, für den Saarstahl oder die Werften oder den Bergbau. Andere Landesregierungen beugen Krisen vor, begleiten den Wandel. Was macht die Regierung des Autolands Baden-Württemberg?

Und auch jetzt, wo die schlechten Nachrichten immer dichter aufeinanderfolgen, wo man erst die Umsatzziele und dann die Arbeitsplätze streicht – auch jetzt vernimmt man von dieser Landesregierung nur leises Wimmern und Wehklagen. Hoffentlich reagiert die EU! Hoffentlich unternimmt der Bund etwas! Mehr hört man nicht aus dem grün-schwarzen Kabinett.

Diese Hilflosigkeit muss aufhören. Schnell und endgültig. Schnell, wenn wir wahrscheinlich noch in diesem Jahr beraten, wo das Land die erheblichen finanziellen Möglichkeiten einsetzen muss, die es nach der Änderung des Grundgesetzes gibt. Und endgültig, wenn im nächsten Frühjahr eine neue Regierung gewählt wird.