Es ist nicht mein Job, die Öffentlichkeitsarbeit für den Ministerpräsidenten zu machen (zum Glück), aber Anfang der Woche hatte ich etwas Mitgefühl entwickelt. Da sitzt Winfried Kretschmann auf einem Podium, es geht um die deutsch-französische Freundschaft und die fast 400 Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden in Frankreich und Baden-Württemberg. Es geht um die Gefahr nachlassenden Interesses und es geht um das Problem der Sprachbarriere, weil man hier wie in Frankreich eben meist erstmal Englisch lernt. Und da sagt der Ministerpräsident sinngemäß, es sei ja auch möglich, dass man sich bald einen Knopf ins Ohr steckt und einem das Smartphone übersetzt. Das sei dann mehr wert als ein halbgarer Sprachunterricht, nach dem man auf Französisch nicht mal ein Eis bestellen könne.
Grün hin, SPD her, das ist erstmal nicht falsch. Irgendwie kam das aber mindestens in den Medien so rüber, als stelle Winfried Kretschmann den Sinn des Französischlernens infrage. Ich weiß selber, wie schnell das geht. Ich habe einst mal gesagt, in einem Schulsystem der Zukunft werde man gar keine Klassen mehr wiederholen müssen, einen Tag später hieß es in allen Newstickern, der Kultusminister von Baden-Württemberg wolle das Sitzenbleiben verbieten.
Am Dienstag hatte der Ministerpräsident nun eine prima Gelegenheit, die Lage wieder einzufangen. Schlagzeilen machen Schlagzeilen, und in der Regierungspressekonferenz wurde fast nur nach der Französisch-Affäre gefragt. Auch, weil die Berichte inzwischen in Frankreich angekommen sind. Der Job für den Regierungschef war einfach: Nein, Französisch an Schulen ist gut und wichtig. Nein, niemand stellt das infrage. Aber wer kein Französisch kann, dem kann ein Smartphone beim Übersetzen helfen und das künftig noch viel besser.
Doch Winfried Kretschmann fing nichts ein, im Gegenteil. In bald einer halben Stunde Fragen und Antworten verbiss er sich in Nebensächlichkeiten, schimpfte auf die Medien, erzählte von ChatGPT und von der Notwendigkeit, den Kanon in Schulen zu überarbeiten. Als man ihn fragte, ob junge Leute dann überhaupt noch Französisch auf Lehramt studieren sollten, sagte er, da müsse man die Kultusministerin fragen. Außerdem, sagte er, sei Englisch halt wichtiger. Und er selbst habe auf der Schule Latein und Griechisch gelernt, sagte er.
Noch einmal: Es kann passieren, dass man als politische Figur einmal aus Versehen auf irgendeinen Fuß tritt. Dass man irgendwas umwirft und es einen Riss bekommt, den man gar nicht gewollt hat. Aber am Dienstag hat der Ministerpräsident im zweiten Anlauf und sehenden Auges allerhand in Scherben geschlagen. Und der Beziehung zwischen Frankreich und Baden-Württemberg, den vielen Partnerschaften auf lokaler Ebene hat er einen echten Bärendienst erwiesen. Ein hoher Preis für ein bisschen Rechthaberei.
Der französische Titel dieses Blogs bedeutet übrigens „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Nur, falls Ihr noch keinen Knopf im Ohr habt.