Nicht erst seit der Corona-Pandemie steht der Einzelhandel in den Innenstädten von Baden-Württemberg vor einer großen Herausforderung. Der rasante Wandel im Einkaufsverhalten der Menschen wird durch den Lockdown und den zusätzlichen Aspekt der Angst vor Ansteckung nur beschleunigt. Um die Innenstädte in Pandemie-Zeiten zu stabilisieren und Einzelhändlerinnen und Einzelhändler gleichzeitig Perspektiven für die Zukunft zu liefern, benötigt es schnelle und umfangreiche Hilfen: „Es geht ganz einfach um Existenzen. Deshalb brauchen wir jetzt eine schnelle Auszahlung der zugesagten Gelder. Bei den Überbrückungshilfen muss berücksichtigt werden, dass Bemessungsgrundlage nicht allein die Höhe der Fixkosten sein kann. Händler die Saisonware anbieten müssen auch einen Ersatz für den Wertverlust ihrer Ware bekommen. Und sie brauchen eine Perspektive. Weitere Wochen oder Monate halten unsere Einzelhändlerinnen und Einzelhändler nicht durch. Wir fordern die Landesregierung auf gemeinsam mit den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg als Ergebnis eines Runden Tischs zusätzliche Hilfemaßnahmen zu beschließen“, so SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch.
Gleichzeitig benötigt es eine konstruktive Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren aus Handel, Verbänden und Politik. Stoch fordert deshalb, einen Handelsgipfel einzuberufen. „Nur gemeinsam können wir in einem offenen Prozess Lösungen entwickeln, um die Händlerinnen und Händler mit den Auswirkungen der Pandemie und in Fragen der Zukunftssicherung nicht allein zu lassen.“ Alle Betroffenen müssen an einen Tisch gebracht werden, um konkrete Konzepte zu entwickeln und gemeinsam zu klären, wo über die bereits laufenden Hilfen hinaus weitere Unterstützungen für den Einzelhandel in der aktuellen Notlage notwendig sind.
„Die Pandemie wirkt wie ein Katalysator für einen Prozess, mit dem die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler in unseren Innenstädten schon deutlich länger zu kämpfen haben“, weiß auch Peter Kurz, Präsident des baden-württembergischen Städtetags und zugleich Oberbürgermeister der Stadt Mannheim: „Diese Entwicklungen müssen durch die Städte mit gesteuert werden, aber das Land ist gefordert, diese Prozesse vor Ort zu begleiten und zu unterstützen.“
Martin Wacker, Geschäftsführer der KME Karlsruhe Marketing und Event GmbH, erklärt: „Um die Innenstädte zukunftsfähig zu machen, müssen wir die City viel mehr als Bühne, als Raum für Gemeinschaftserlebnisse und Kultur begreifen. Zusätzlich müssen wir den lokalen Handel in einer Digitalisierungsoffensive begleiten, mit Strategien und konkreten Maßnahmen. Finanzielle Unterstützung ist hier ebenso gefragt wie bei einer großen Kampagne zur Wiederbelebung des stationären Einzelhandels, wenn Öffnungen wieder in Frage kommen. Hier sind wir als städtischer Akteur schon sehr aktiv, Mittel von Land und Bund sind dringend erforderlich.“
Gemeinsam gilt es Lösungen zu erarbeiten, auch in Zusammenarbeit mit dem Stadtmarketing vor Ort, so dass sich Geschäfte digitaler aufstellen können und sich mit E-Commerce während, aber auch für die Zeit nach der Corona-Pandemie ein sicheres zweites Standbein aufbauen können. Hierzu gibt es vor Ort schon tolle Ideen, die es nun gilt in die Fläche zu bringen. „Die Landesregierung redet gerne und viel von Digitalisierung, aber sie muss die Einzelhändler dringend stärker darin unterstützen, dass sie mit kommerziellen Anbietern wie Amazon mithalten können. Beispielsweise durch die Förderung von
Gutscheinen für inhabergeführte Geschäfte, die einen neuen E-Commerce-Bereich aufbauen oder von Modellprojekten für den Aufbau von lokalen Liefersystemen“, fordert Stoch.
„Die Politik muss jetzt dringend ihren Teil tun. Aber auch jeder einzelne von uns kann viel zum Erhalt von lebendigen, attraktiven Innenstädten beitragen“, erklärt Stoch abschließend. „Wenn das Einkaufen durch die Pandemie nicht möglich ist, können wir den Einzelhandel trotzdem mit dem Kauf von Gutscheinen unterstützen, und lokale Lieferdienste nutzen, denn viele haben wirklich innovative Antworten auf die Probleme der Corona-Krise gefunden.“
Unsere Forderungen im Überblick:
- Schnelles Umsetzen und Bereitstellung der Gelder aus dem neuen Förderprogramm zur Stadtentwicklung des Bundes zur Förderung der Ausarbeitungen von Stadtentwicklungsstrategien- und Konzepten durch Kommunen, und dem Programm „Lebendige Zentren“ aus der Bund-Länder-Städtebauförderung 2020.
- Einberufung eines Handelsgipfels zur Bedeutung des Einzelhandels für die Attraktivität der Innenstädte und zur Erarbeitung von Lösungen für die Belebung der Innenstädte mit allen Betroffenen.
- Ersatz für den Werteverlust von Händlern, die Saisonware (Mode, Sport usw.) anbieten.
- Digitalisierungsgutscheine für Geschäfte, die E-Commerce als zusätzliches Standbein aufbauen wollen.
- Modellprojekte für den Aufbau von autarken, lokalen Lieferservicesystemen für den innerstädtischen Handel, vor allem unter Einbeziehung klimafreundlicher Mobilität und in Zusammenarbeit mit lokalen Strukturen.
- Faire Immobilien-Mietpreise und Hilfen beim Erhalt des Innenstadt-Charakters: Förderprogramme des Landes für eine vergünstigte Anmietung von Räumlichkeiten für zwei Jahre, damit Kommunen Ladenlokale vergünstigt weiter vermieten können, und die Ermöglichung des Zwischenerwerbs von leerstehenden, für die Innenstadt durch ihre Lage oder Erscheinungsbild bedeutungsvollen Gebäuden durch Kommunen.
- Förderprogramme für „Dorf- oder Gemeinschaftsläden“, im Übergang auch mobile Läden, die Alltagsprodukte haushaltsnah verkaufen.
- Mobile und nachhaltige Innenstädte durch Stärkung des lokalen ÖPNV und Förderung von Radverkehr, ein vermehrtes Car-Sharing und eine anwendungsorientierte Förderung der Elektromobilität bei Fahrzeugen mitsamt der Schaffung einer einheitlichen Ladeinfrastruktur.