Stochblog

Alles, was Recht(s) ist

Einer der dümmsten Einwände, den ich in letzter Zeit gehört habe, geht in diese Richtung: „Was regt Ihr bei der SPD Euch eigentlich so auf über Friedrich Merz? Letztlich nutzt der Euch doch!“

Nein, ich glaube, das tut er nicht. Wie Friedrich Marz agiert, nutzt wahrscheinlich allenfalls Populisten und Extremisten. Er schadet nicht nur seiner Partei, er schadet allen Parteien der Mitte. Er schadet dem Vertrauen in die Politik und dem Vertrauen in die Demokratie. Darüber regen wir uns auf, und wer das mit Wahlkampf verwechselt, hat leider nicht viel verstanden.

Kein Abstimmen mit der AfD – das war nicht nur ein Versprechen unter demokratischen Parteien, das war vor allem ein Versprechen von Friedrich Merz selbst, klar und eindeutig und grundsätzlich und ohne Wenn und Aber und vor nicht einmal einem Vierteljahr. Jetzt ist dieses Versprechen im Eimer, und ganz viel Vertrauen auch.

Zerstört hat Friedrich Merz auch viel Vertrauen in die politische Seriosität. Das Gesetz, das er mit der AfD durch den Bundestag prügeln wollte, enthält Punkte, die vor keinem Gericht standhielten, nicht in Deutschland und nicht in Europa. Und wieder der Einwand, warum sich die SPD dann so empöre, ihn nicht einfach vor die Wand laufen lasse? Ganz einfach: Weil hier mit Grundlagen politischen Anstands gebrochen wird. Ja, was die SPD im Wahlkampf verspricht, wird sie nicht mit jedem Koalitionspartner sofort und zu 100 Prozent umsetzen können. Aber was Friedrich Merz verspricht, könnte er nicht einmal mit einer 90-Prozent-Mehrheit durchsetzen. Und seine Träume über sein politisches Handeln offenbaren nichts anderes als Unkenntnis der Politik: Ein Bundeskanzler ist kein US-Präsident, der in der ersten Stunden nach Amtsantritt bereits politische Befehle verteilt. Wer so etwas verspricht, verkauft die Leute für dumm.

Und wie die Leute für dumm verkauft werden, ärgert mich persönlich am meisten. Was Friedrich Merz geschafft hat, ist, ein Thema in den Mittelpunkt zu rücken, dass da nachweislich gar nicht mehr hingehört. 80 Prozent der Deutschen sagen in einer Forsa-Umfrage, dass es gerade weitaus wichtigere Themen gibt als die zuletzt stark zurückgegangene Migration. Selbst bei den Wählern der AfD (!!) sagt das eine Zweidrittelmehrheit. Und wer nicht nur im Internet, sondern auch noch ein bissel unter Menschen unterwegs ist, hört ganz andere Sorgen: Hohe Preise, unbezahlbare Mieten, Sorgen um den Job in der Autobranche, Angst vor ruinösen Handelskriegen…

Kein Wunder, dass dieser Wahlkampf eigentlich ein Wirtschaftswahlkampf werden sollte. Und der hätte gezeigt, wer Lösungen im Gepäck hat, wer die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land unterstützt und wer nur die Reichen noch reicher machen will. Wer Konzepte für die Zukunft hat und wer mit wirtschaftspolitischem Alteisen aus den 1980ern (CDU), 1950ern (FDP) oder 1860ern (AfD) um die Ecke kommt. Bei diesem Thema hätte man abliefern müssen – jetzt reden wir über Migration, und da müssen die Populisten nichts abliefern, sondern nur Angst machen.

Wir haben noch drei Wochen, um das zu ändern. Packen wir’s an!