Zum Start ins neue Jahr haben die 19 Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktion auf ihrer Klausur in Heidelberg ein Paket von Forderungen für eine aktive und bessere Landespolitik auf den Weg gebracht. „Die Zahl der Aufgaben ist immens, und an manchen Stellen brennt es schlicht“, so Fraktionschef Andreas Stoch: „Umso mehr braucht es jetzt Politik, die anpackt, statt nur abzuwarten“.
Die Vorschläge und Forderungen der SPD umfassen dabei sowohl schnelle Abhilfen und Sofortmaßnahmen als auch mittelfristige Vorsorgen sowie Neuausrichtungen gerade im Hinblick auf die Zusammenarbeit von Land und Kommunen. „Wir erleben, dass die Welt sich rasant ändert. Es ist nur logisch, dass sich auch unser Land anpassen muss, um die neuen Herausforderungen zu meistern. Umso erstaunlicher, wenn die aktuelle Landesregierung meint, man könne einfach die Hände in den Schoß legen und alles beim Alten lassen.“
Im Rahmen der Klausur haben sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch eingehend informiert und mit Fachleuten ausgetauscht. Zu Gast waren auf der Klausur unter anderem der EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte Nicolas Schmit (Luxemburg) und Frank Mentrup, Präsident des Deutschen Städtetags, zudem tauschten sie sich mit Fachleuten aus den Bereichen EU, Kommunales und Migration aus. Gespräche auf diversen Vor-Ort-Terminen im Raum Heidelberg und beim traditionellen Bürgerempfang der Fraktion ergänzten das dreitägige Programm.
„Konstruktive Oppositionsarbeit heißt für uns, konkrete Lösungswege aufzuzeigen“, sagt Andreas Stoch: „Erst Recht, wenn die aktuelle Regierung weder regiert noch reagiert, sondern nur jammernd staunt, wie viel Unterricht ausfällt, wie teuer die Wohnungen sind, wie überspannt unsere Kommunen. Das Nichtstun wird zum echten Standortrisiko für unser Land. Wir zeigen Soforthilfen und Vorsorge, um in den kommenden Jahren nicht noch mehr in die Klemme zu kommen.“
Auszüge aus den Beschlüssen und Positionspapieren im Überblick:
Ein neuer Pakt mit den Kommunen in Baden-Württemberg
Angesichts der immens gestiegenen Aufgaben fordert die SPD eine grundsätzliche Aufgabenkritik durch Bund und Land sowie einen dauerhaften Kabinettsausschuss, der Aufgaben und deren Finanzierung gemeinsam mit der kommunalen Familie regelt. Mit einem reduzierten Vorwegabzug sollen den Kommunen zudem schnell 100 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung stehen. Das Land soll zudem aus einem Gemenge schwer planbarer und befristeter Förderungen in eine stetige und verlässliche Finanzierung kommunaler Aufgaben wechseln. Besonderer Hilfe bedarf dabei der ländliche Raum, bei dem es zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr ganz andere Lösungen braucht als in Großstädten.
In der Geflüchtetenpolitik fordert die SPD vom Land ein Ende der Provisorien und die Schaffung dauerhafter, funktionierender Strukturen. Ebenso dauerhaft müssen Kommunen bei Integration und Sozialarbeit unterstützt werden. Das Land soll die Flüchtlingspauschale des Bundes ohne Abzüge an die Kommunen weitergeben. Zudem braucht es klare Vorgaben und fixe Ermessensspielräume für die Ausländerbehörden vor Ort.
Die SPD will mehr demokratische Teilhabe durch gesetzlich verankerte kommunale Migrantenvertretungen (wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen). Eingeführt werden sollen Einwohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auch auf Landkreisebene.
Gegen die Wohnungsnot setzt die SPD auf eine Landesentwicklungsgesellschaft, die Kommunen auch bei der Planung von Wohnbauprojekten unterstützt, sowie auf eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Vorkaufsrechte der Kommunen sollen ebenso gestärkt werden wie rechtliche Mittel gegen Zweckentfremdung. Massiv aufgestockt werden sollen der Grundstücksfonds sowie die Hilfen für den geförderten Wohnungsbau.
Für sichere Kommunen fordert die SPD Verbesserungen für die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren, ein Sirenenprogramm, Hilfen bei Waffenverbotszonen sowie eine verlässliche Finanzierung von Frauen- und Kinderschutzhäusern.
Maßgebliche Hilfen des Landes brauchen die Kommunen auch bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagesbetreuung an den Grundschulen ab 2026. Sorgen muss das Land auch für ausreichende (und gebührenfreie) Kita-Plätze sowie den Nachwuchs an erzieherischen Fachkräften.
Für das ganze Land bedeutsam sind zudem auch der Klimaschutz und die Energie- und Mobilitätswende. Auch hier muss das Land dort helfen, wo diese Wende umgesetzt wird. Also vor Ort, in den Kommunen.
Unterrichtsgarantie: Lehrkräfte ins Klassenzimmer
Mit einer Reihe von Maßnahmen soll das Land nach dem Willen der SPD auf den eklatanten Unterrichtsausfall und den Lehrermangel reagieren. „Wir reden hier nicht mehr von Wellen von Lehrermangel oder Lehrerflut. Wir haben heute mehr Unterrichtausfall als je zuvor, und bis in zehn Jahren werden im Land fast 8000 Lehrkräfte fehlen“, sagt Andreas Stoch: „Es brennt, und das Land muss handeln. Jetzt.“
Im Kern der SPD-Forderungen steht der Plan, Lehrkräfte so weit wie möglich von Aufgaben zu befreien, die nicht mit Lehre und Unterricht zu tun haben. Allein für die Wartung von Schul-IT werden bisher über 14.000 Lehrerwochenstunden verwendet, hier soll es endlich professionellen IT-Service für alle Schulen geben. Auch multiprofessionelle Teams sowie Schulteams zur Organisation helfen Lehrkräften, wieder mehr Zeit für den Unterricht zu haben. „Der Modellversuch zur Schulverwaltungsassistenz läuft seit 15 Jahren“, so Andreas Stoch: „Wie lange wollen wir denn noch warten?“
Die SPD fordert, die Krankheitsvertretungsreserve auf 2500 Deputate aufzustocken.
Darüber hinaus fordert die SPD einen Masterplan Studienplätze. „Wir suchen händeringend Lehrkräfte, aber es gibt immer noch Pädagogische Hochschulen, die Bewerberinnen und Bewerber mangels Studienplätzen abweisen“, so Andreas Stoch: „Das kann doch nicht sein!“
Angesichts des dramatischen Bedarfs will die SPD Lehrerinnen und Lehrern auch bessere flexiblere Angebote bei der Arbeitszeit machen. Dazu gehören ein flexibles Vorgriffstundenmodell sowie neue Modelle der Altersermäßigung.
Europapolitik des Landes: Mehr Alltagshilfen statt nur Staatsbesuche
In einem ausgesprochenen Grenzland wie Baden-Württemberg hat Europapolitik ganz handfeste Auswirkungen. Die SPD fordert vom Land, sich verstärkt dem Nutzen für Bürgerinnen und Bürger zu widmen. Im gesamten alltäglichen Miteinander, von Berufspendlerinnen und Berufspendlern bis zur harmonisierten Arbeit von Blaulichtorganisationen muss sich das Land zum Anwalt der Menschen machen. Die Nähe zu seinen Nachbarn muss Baden-Württemberg als Chance nutzen.
Deutlich wird auch, dass die immer umfangreicheren Beziehungen in andere Länder bisher innerhalb der Landesregierung in verschiedensten Bereichen und Zuständigkeiten zerfasern. Die SPD regt darum ein baden-württembergisches Landesministerium für Europa und Internationales an. „Wenn wir unsere internationalen Beziehungen ernst meinen und sie nützen wollen, müssen wir mehr bieten als nur Staatsbesuche. Wir müssen auf die Arbeitsebene kommen“, so Andreas Stoch.
Eine Frage der Leitung: Infrastruktur für die Energiewende
Als Binnenland abseits der Küsten hat Baden-Württemberg besondere Aufgaben zu lösen, um sich für die Zukunft optimal aufzustellen. Es braucht nicht nur Stromtrassen, um Offshore erzeugten Windstrom in den Süden zu übertragen. Es braucht auch Pipelines für die künftige Versorgung mit Wasserstoff und schließlich absehbar auch Pipelines für die Einlagerung von Kohlendioxyd, die absehbar wieder eher im Norden und unter dem Meer möglich sein wird. „Baden-Württemberg hat hier deutlich mehr zu tun als Schleswig-Holstein. Genau deswegen muss eine Landesregierung hier viel mehr tun, als nur auf den Bund oder die Privatwirtschaft zu hoffen. Für Leitungen nach Stuttgart braucht es Leitung aus Stuttgart“, sagt Andreas Stoch.
Die SPD fordert massive Anstrengungen, um die Übertragungsnetze von der Küste in den Süden zügig fertigzustellen und dabei alle Möglichkeiten der Planungs- und Verfahrensbeschleunigung zu nutzen. Dabei sollte nach Möglichkeit an alle Bedarfe gedacht werden, also zu Wasserstoffpipelines auch an CO2-Pipelines.
Das Land muss rechtzeitig und mit allen Beteiligten einen Bedarfsplan für alle Infrastruktur schaffen und sich für eine grundlegende Reform der Anreizregulierung einsetzen, um die Investitionen zu sichern. Dazu bedarf es auch Darlehen der L-Bank und Bürgschaften des Landes.
Gerade für die Wasserstoffversorgung muss die Terranets BW zu einer Infrastrukturgesellschaft des Landes ausgebaut werden. Die flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen muss ein Staatsziel des Landes sein. Dazu gehört es auch, im Südwesten Erzeugungskapazitäten für Wasserstoff zu fördern und aufzubauen.