Stochblog

Eine Weihnachtsgeschichte

Papa Ole hatte es nicht leicht mit Weihnachten in diesem Jahr. Ehrlich gesagt konnte er sich an kein einziges Weihnachten erinnern, dass ihm jemals so schwer gefallen wäre. Seit zwei Jahren teilte er sich das Haus mit zwei Brüdern, mit denen er seit seiner Kindheit immer mehr gezankt als gespielt hatte. Die beiden konnten sich vor allem untereinander nicht ausstehen und gingen ständig aufeinander los.

Und dann wurde es immer voller im Haus. Viele große Unglücke hatten das Städtchen heimgesucht, und in einem Haus wie dem von Papa Ole, das noch ganz unbeschädigt war, suchten viele Menschen aus der ganzen Gegend Unterschlupf. Sogar das Gas war knapp geworden, Papa Ole hatte sich die Hacken abgelaufen, um neuen Brennstoff für die Heizung zu finden. Das hatte auch geklappt, doch gedankt hatte ihm niemand dafür: Ein Bruder maulte, früher sei das Gas billiger gewesen, der andere Bruder maulte, warum es so wenig Wärmepumpen gäbe. Einige Gäste klebten sich aus Protest an einem Heizkörper fest.

Es gab wahnsinnig viel zu tun, und Papa Ole wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Es brauchte Essen für alle im Haus, ordentliche Schlafplätze, Kleidung… man musste aber auch den Nachbarn helfen, deren Häuser bei den Unglücken kaputt gegangen waren. Und die Menschen im Haus waren alles andere als hilfreich. Ja, das alles koste Geld, rief die bucklige Verwandtschaft, aber deswegen könne Papa Ole doch nicht einfach Geld von der Bank holen. Nein, er solle gefälligst sparen. Sparte Papa Ole aber, brüllten alle Hausgäste los, denen jetzt etwas fehlte. Überhaupt ärgerten sich immer mehr Menschen in den vollen Zimmern. Die, die schon länger da waren, schimpften auf die, die neu dazukamen. Und viele Leute drehten sich alles so hin, wie sie es wollten: „Seit unser Haus kaputt ist, leben wir bei Papa Ole. Aber ist es nicht so, dass unser Haus kaputt ist, seit wir bei Papa Ole leben? Ist nicht er schuld an allem?“

„Krisenmodus“ war das Wort, dass man überall im Haus hörte. Aber unter einem Krisenmodus stellten sich alle nur vor, dass Papa Ole jede Auswirkung jeder Krise vollständig wegbügeln könne. Die bucklige Verwandtschaft zum Beispiel beschwerte sich fortwährend: „Wenn WIR das sagen hätten, wäre alles wie in den 1980ern. Keine Hausgäste, Atomstrom und Derrick im Fernsehen. Das wäre schön!“ Und andere, noch komischere Leute wollten in der Zeit sogar bis in die 1940er zurückreisen.

Papa Ole seufzte. Der Weihnachtsbaum stand, aber er würde den einen zu grün und den anderen zu klein sein, früher war mehr Lametta und ja keine Gendersternchen an die Zweige! Das Weihnachtsessen würde zu viel oder zu wenig Fleisch haben. Und für die Faxen seiner beiden Geschwister würde man am Ende wieder ihm die Hölle heiß machen.

Der Fernseher war dauerbelegt, weil die bucklige Verwandtschaft das ZDF aus dem Jahr 1984 nicht finden konnte. Papa Ole setzte sich auf die Treppe zwischen zwei neue Hausgäste, goss ihnen einen heißen Tee ein und schlug erstmal die Zeitung auf, um über die Nöte der Ampelregierung zu lesen. Ein bisschen Trost hatte er sich zu Weihnachten verdient.

 

Friedvolle Weihnachten, frohe Festtage und einen guten Start ins Neue Jahr!