Stochblog

Wohnungsnot: Teufel und Weihwasser

Am Sonntag ist der Mangel an bezahlbaren Wohnungen auf dem Titel einer ebenso renommierten wie sturzkonservativen großen Zeitung angekommen. Die Lage ist inzwischen so schlimm, dass man sie selbst dort nicht mehr übersehen kann.

Umso überraschender das Fazit: Nach einer längeren Analyse, wie es zu der deutschen Wohnungsnot gekommen ist (Verkauf öffentlicher Wohnungen, jahrlanges Wachkoma des Sozialwohnungsbaus), gibt das Blatt zum Besten, es wohnten im Land einfach zu viele ältere Menschen in zu großen Wohnungen oder Häusern. Das nehme den Familien den Platz weg.

Der Betrag endet, ohne seine wilde These offen auszusprechen: Es müssen einfach alle wohlhabenden Senioren in kleine Wohnungen umziehen, dann bekommen die jungen Familien den Wohnraum, den sie brauchen. Denn die Villa in Halbhöhenlage in Stuttgart kostet ja keinen Cent mehr als eine Sozialwohnung. Wie wirr ist das?

Wenn bezahlbare Wohnungen fehlen, muss man welche bauen. Und wenn der Markt nicht genügend baut, bauen kann oder bauen will, dann muss der Staat welche bauen. Denn Wohnen ist kein Luxus, sondern ein Teil der Daseinsvorsorge. Und es wird immer abenteuerlicher, wie sich Marktliberale herumwinden, weil sie das nicht einsehen wollen. Ziemlich absurd ist der große Gratis-Wohnungstausch aus der Sonntagszeitung (man stelle sich vor, die SPD würde so etwas vorschlagen). Nicht viel weniger absurd ist es auch, dass die grünkonservative Landesregierung von Baden-Württemberg der Wohnungsnot nicht einfach so zusehen wollte. Jetzt gibt es eigene Ministerin, die der Wohnungsnot einfach so zusieht.

Das letzte Mal, dass in diesem Land ähnlich viele Wohnung fehlten wie heute, war nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals war allen klar, dass der Staat in den Wohnungsbau einsteigen muss. Auch der CDU, sogar der FDP. Und in einem Kraftakt von Staat und Kommunen, öffentlicher Hand und privater Wirtschaft wurde viel gebaut und die Wohnungsnot besiegt.

Gegen Wohnungsnot muss man Wohnungen bauen. Das würde nicht nur die Wohnungsnot vieler Menschen beseitigen, sondern auch die im Moment sehr schwächelnde Baubranche stützen – und damit Arbeitsplätze sichern. Ich weiß nicht, warum die heutigen Konservativen diese einfache Erkenntnis scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber ich sehe, dass ihnen die Argumente endgültig ausgehen. Denn nach einem sinnlosen Ministerium und dem Aufruf zum millionenfachen Wohnungstausch kann es eigentlich nicht mehr abenteuerlicher werden.