Für alle, die es vorbereitet haben, wird es bitter sein: Kein Staatsempfang im Ludwigsburger Schloss, keine Besuche in Stuttgart und Marbach… Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat seinen Besuch in Deutschland, und damit auch in Baden-Württemberg, abgesagt und auf später verschoben.
Das kann und muss man aber verstehen, wenn man auf die Lage in Frankreich schaut. Bald eine Woche Unruhen und vor allem nächtliche Krawalle, ausgelöst durch die Tötung eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle, wegen der inzwischen auch ermittelt wird. Niemand in Frankreich würde verstehen, wenn der Präsident angesichts dieser Lage für schöne Reden ins Ausland reisen würde. Auch nicht, wenn es das Nachbarland ist und ein französisches Staatsoberhaupt hier seit 23 Jahren (verblüffend lange, oder?) nicht mehr bei einem ausgewachsenen Staatsbesuch zu Gast war.
Verstehen sollten wir aber auch, was in Frankreich geschah und geschieht. Und dabei meine ich jetzt nicht eine genaue Aufarbeitung des Todes des 17-Jährigen (die angekündigt ist), und ich meine auch nicht die Tatsache, dass die Ausschreitungen, besonders auch die Zerstörungswut und die Plünderungen, ganz klar illegal und kriminell sind. Und erschreckend.
Erschrecken sollte aber auch unsere „Law and Order“-Fraktion, die bei allen Anlässen immer so laut nach der Härte des Gesetzes und dem starken Arm der Polizei ruft. Für diesen starken Arm ist die französische Polizei bekannt, wenn nicht berüchtigt. Und eben dieser Arm hat nun womöglich für massenhaft massive Unruhen gesorgt. Mehr noch, selbst der stärkste Arm eines national organisierten, riesigen Polizeiapparats hat die Ausschreitungen nicht unterbinden können. Frankreichs Innenminister hatte zwischendurch 40.000 Polizeikräfte zusätzlich aufgeboten. Das sind mehr Menschen, als bei der kompletten Polizei Baden-Württembergs beschäftigt sind! Geholfen hat es gar nichts. Auch alle Wasserwerfer, all das Tränengas und der Gummischrot nicht.
Ich würde mir wünschen, dass einige der „Law and Order“-Lautsprecher angesichts der Lage in unserem Nachbarland nachdenken. Prävention, Deeskalation und soziale Maßnahmen sind keine „Kuschelpädagogik“. Sie sind oft die beste Lösung. Manchmal die einzige.
Und unseren Freundinnen und Freunden in Frankreich wünsche ich so schnell wie möglich die Rückkehr zu friedlichen Verhältnissen an allen Orten.